Die Ostschweiz bietet viel fürs Gemüt. Diesmal zeigt uns Hagen Zimmermann, der bei der IG Motorrad neun Jahre im Vorstand war, seine Lieblingsecken.

Vom Töff-Shop mit Café direkt in die Kurven
Unser Ausgangspunkt ist die Polo-Filiale in St. Gallen-Neudorf – ein optimaler Treffpunkt: Fehlt noch was in der persönlichen Töff­ausrüstung oder am Bike, wird man hier sicher schnell fündig. Und im Café lässt sich die Tour besprechen oder eine allfällige Wartezeit gut überbrücken. Zudem ist die Lage – unweit der Autobahnausfahrt und ausserhalb der Innenstadt – optimal. So sind wir denn nach wenigen hundert Metern schon mitten im Ostschweizer Töffparadies. «Es geht sofort in die Kurven und in die Höhe, von wo man tolle Tiefblicke geniessen kann», unterstreicht Hagen. Die gesamte Tour zählt etwa 150 Kilometer und bietet sich so – je nach Anzahl Stopps – auch als Halb-Tagestour an.

Wir steuern zunächst das auf etwa 800 m ü. M. liegende Ausserrhoder Dorf Heiden an, das über die Rorschach-Heiden-Bergbahn (RHB) sogar ans Schweizer Schienennetz angeschlossen ist. Die Mitfahrgelegenheit steht für Töfffahrer wohl weniger im Vordergrund, doch ist der Anblick der roten Züge in der saftig grünen Landschaft sicher mindestens so idyllisch wie jener der RhB im Bündnerland, der Rhätischen Bahn.

Es folgen der höchste Punkt dieser Tour mit knapp 1100 Metern über Meer, die Südseite des Ruppenpasses mit Ausblicken über das Rheintal und der bei Töfflern beliebte Stoss-Pass. Anstatt direkt Appenzell anzusteuern, schlagen wir den schwungvollen Umweg über Brülisau ein, von wo aus eine Seilbahn zum Hohen Kasten führt. Der 1793 Meter hohe Berg in den Appenzeller Alpen ist ein beliebtes Ausflugsziel und wird auch «Rigi der Ostschweiz» genannt. Wir schwingen weiter Richtung Appenzell. «Hier gibt es nicht nur Appenzeller Käse, sondern auch Metzgereien und selbstverständlich Konditoreien, in denen man die ­Appenzeller Biberfladen in allen Variationen bekommt, und nicht zuletzt die Locher Brauerei», so Hagen.

Eine kulturelle Spezialität in den beiden Appenzeller Kantonen sind die textlosen Naturjodel aus klingenden Vokalen und Silben, Zäuerli (Ausserrhoden) und Rugguusseli (Innerrhoden) genannt. Typisch für die erste Stimme ist der schnelle Wechsel von der Brust- in die Kopfstimme (Falsett), bezeichnet als Kehlkopfschlag. Die Melodie des Vorzauerers wird gestützt durch eine ­improvisierte Mehrstimmigkeit von mehreren Sängern.

Nach Appenzell passieren wir Gontenbad, wo das Appenzeller Mineralwasser sowie die Flauder-Süssgetränke abgefüllt werden. Nächster Idylle-Höhepunkt ist Schwellbrunn, das für seine schönen Häuser, die allesamt auf dem Kamm angeordnet sind, bekannt ist – ein Bilderbuch-Anblick! Ab hier bleiben wir für die nächsten rund 50 Kilometer mehrheitlich auf absoluten Nebenstrecken mit sehr wenig Verkehr. Vielerorts duftet es nach frisch gemähtem Gras oder nach unter der Sonne trocknendem Heu. Hier sind noch klassische Heuwender im Einsatz, und an Steilhängen gehen die Landwirte noch von Hand zu Werke.

Dieses Töffgebiet bietet neben seiner Schönheit auch praktische Vorteile. Der grösste ist sicher die «nahe Ferne» bzw. die «weitläufige Kleinräumigkeit»: Ob von St. Gallen oder anderen grösseren Ortschaften gelangt man stets ruck-zuck in ein völlig abgeschiedenes, hügeliges – aber selbst in den Nebensaisons nicht zu hoch gelegenes – Gebiet, das durch viele wenig befahrene Strassen sehr gut erschlossen ist. Überall lässt sich an ­Abzweigungen noch ein Umweg einschalten oder bei Bedarf eine Abkürzung nehmen …