Die kleine Runde um den Juraberg Chasseral geht auch am Feierabend. Wer in der einen oder anderen Métairie einkehrt, braucht hingegen schon den ganzen Sonntag.

Im Jura sind die Berge nicht nur niedriger als in den Alpen, sie sehen auch anders aus. Meist bestehen sie aus scharfkantigen Kalkstein-Graten, die irgendwo ihren höchsten Punkt haben. Da hilft es dem suchenden Auge, wenn der Mensch nachhilft, wie auf dem Chasseral. Hier steht ein Sendeturm, der als 114 m hoher Zeigefinger signalisiert: Das hier ist der Chasseral, die höchste Erhebung im…, nein, nicht im ganzen Jura, nur im Berner Jura. Aus dem Berner Mittelland sieht man ihn in der Ferne, und wer auf dem TCS-Gelände Lignières einen Kurs absolviert, kurvt gewissermassen zu seinen Füssen herum. Der Chasseral, zwischen Biel, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds gelegen, eignet sich aber auch dafür, einmal um ihn herum zu kurven.

1200 m Höhenunterschied
Auf einer Chasseral-Rundfahrt ist mit bedeutenden Höhenunterschieden zu rechnen. Da streckt man eben noch die Zehen ins kühlende Nass des Bielersees, rollt danach durch die besonnten Rebberge bei Twann und kurvt durch die Schlucht gleichen Namens hoch auf den Tessenberg, und schon fällt die Temperatur. Lignières, bekannt für die einzige «Rennstrecke» (korrekt: Fahrtrainingszentrum von TCS Training & Events) der Schweiz, liegt bereits in einer anderen Klimazone als die Seenlandschaft darunter. Danach windet sich die Strasse zuerst durch den leichten Wald, danach durch die Weiden auf der Südseite des meist erst im Juli schneefreien Chasseral. Und dort, auf dem Restaurant-Parkplatz, pfeift dir fast garantiert ein kühler Wind um die Ohren. Die erhitzten Velofahrer müssen für die Abfahrt meist gleich drei Lagen Textil montieren, für Töfffahrer reicht es, den obersten Jackenknopf zu schliessen. Denn ein Weilchen innehalten und die Aussicht einsaugen, das ist unverzichtbar. Zu Füssen der Tessenberg, weiter unten Bieler-, Murten und Neuenburgersee, am Horizont die verschneiten Gipfel der Berner Alpen – wenn man einen Tag mit guter Fernsicht erwischt…

Einkehren in der Alpwirtschaft
Fast immer weht hier oben eine kräftige Brise, doch die Krete des Chasseral ist von Windrädern frei. 13 oder 14 davon hat man einen Bergrücken «weiter hinten» gepflanzt, zwischen Mont Soleil und Mont Crosin. Eine Etage tiefer steuere ich eine der zahlreichen Métairies an. Die Anfahrt zur Bergerie du Bas auf dem Mont Sujet (Abzweigung in Lamboing), gerät wackelig: Der Weg ist tief gekiest, das 17-Zoll-Vorderrad des Tourentöffs fährt einen unsicheren Kurs. Oben dann schönes Panorama, Alpwiesen, Ländlermusik aus Lautsprechern und ein dünner Kaffee. Man wähnt sich auf einer Alp in der Innerschweiz, nur wird hier französisch parliert, gemütlich und gedehnt, wir sind hier schliesslich im Kanton Bern.
Später probier ichs in der Métairie du Milieu de Bienne. Die Abzweigung findet sich im Tal von St-Imier, in Cortébert. Inmitten einer herrlichen, mit Einzelbäumen besetzten Alpweide (Wytweide) schlemmere ich ein Stück Rhabarberwähe. Falls die Hausgerichte wie Hamme oder Fondue auch so exzellent munden, muss ich unbedingt wieder kommen. Noch diesen Sommer, oder später auf einer Schneeschuhtour. Geöffnet ist rund ums Jahr.

Text & Fotos: Daniel Riesen